Weben eine Geschichte aus der Steinzeit

Stoffe in einer sehr einfachen Form muss es bereits in der Steinzeit gegeben haben. Aus dieser Zeit gibt es Funde von Resttextilien und simplen Webgerätschaften, die vom Vorhandensein von textilen Stoffen zeugen.

Die Wurzeln, Fasern zu größeren Flächen zu verarbeiten, liegen in der nahöstlichen und ägyptischen Zivilisation. Die vier Hauptquellen waren die Naturfasern Baumwolle, Seide, Leinen und Wolle.

Zum Mumifizieren waren im alten Ägypten Textilien nötig. Diese Leinenstoffe waren etwas extrem wertvolles, weil sie aufwändig in der Herstellung, selten und daher äußert kostbar waren.

Das erste Gewebe der Menschheit

Aber alles begann noch sehr viel früher. 2009 wurden in einer Höhle, die sich im westlichen Teil der Republik Georgien in den Kaukasus bohrt, Fasern aus Pflanzen gefunden. In der Jungsteinzeit vor ca. 34.500 Jahren haben Menschen ihre Fußabdrücke erstmals auf dem Höhlenboden hinterlassen. Die in der Höhle entdeckten Fäden sind heute nicht mehr mit dem bloßen Auge auszumachen, und die Objekte, die daraus geschaffen wurden, haben sich schon lange zersetzt.

Aber trotzdem geben diese Reste Auskunft über die Menschen, die sie hergestellt haben. Zum Bespiel, dass sie sehr fleißig waren. Schließlich dauerte es viele Arbeitsstunden vom Sammeln des Flachses bis zum Verweben der Fäden zu den Objekten, die damit hergestellt wurden. So wurden einige der Fäden gesponnen, andere zu Schnüren gedreht.

Erstaunlicherweise wurden die Fasern offenbar gefärbt, höchstwahrscheinlich mit Pflanzenfarben. Der Großteil der Fäden war schwarz, grau und türkis, aber es gab auch gelbe, rote, blaulila, grüne, khaki- und sogar rosafarbene Fäden, was von einer erstaunlichen Farbbreite zeugt. Um Fasern zu färben, war ein enormes Wissen der Färbepflanzen nötig, die in der entsprechenden Gegend wachsen.

Verwendet wurden die zu Garn verarbeiteten Fasern, um zum Beispiel Tierhäute oder Felle zu vernähen. Ein anderes Produkt waren möglicherweise Körbe, für die die Schnüre oder Seile genutzt wurden, um Weiden für Körbe etwa zusammenzuhalten. Ein Korb wiederum diente dazu, Dinge in größeren Mengen als mit den bloßen Händen zu transportieren, ein praktisches Werkzeug. Mit Garn lassen sich aber auch Netze knüpfen oder Schlingen als Tierfallen auslegen, beides führt zu leichterem und damit besserem Fang und automatisch zu einer besseren Ernährung.

Weben in Ägypten

Die Menschen haben vor ca. 42 000 bis 72 000 Jahren damit begonnen, sich zu bedecken. Diese Textilien sind natürlich längst zerfallen, dennoch zeugen Werkzeuge zur Herstellung der Stoffe wie etwa Nähnadeln von deren Existenz. Sicher ist, dass bereits die ersten Hochkulturen Flachs anbauten. Er wird gehechselt zu Leinen verarbeitet, was Leinengewebe zu den ältesten Stoffen der Menschheit macht. So belegen in Leinen gehüllte Mumien, wie sie Archäologen in den ägyptischen Grabkammern fanden, die frühe Nutzung von Stoffgeweben.

Nicht weniger alt sind Textilien aus Baumwolle, mit denen sich die Menschen schon seit mehreren Tausend Jahren vor allem im heutigen Lateinamerika sowie in Ägypten kleideten.

Ein dritter, unverzichtbarer Rohstoff zur Textilherstellung war Wolle. Das begehrte Material lieferten Schafe und Ziegen, die in Vorder- und Zentralasien schon seit 9000 Jahren beheimatet sind.

Erst im Spätmittelalter gelangte über Venedig, dem damals wichtigsten Handelshafen, Baumwolle aus Ägypten in deutsche Städte. In Süddeutschland wob man aus der neu importierten Baumwolle einen Stoff, den sogenannten Barchent. Dieser Stoff ist ein Mischgewebe, bei dem der Kettfaden aus Leinen und der Schussfaden aus Baumwolle besteht.

Doch was ist Weben überhaupt?

Erst durch Weben wird aus der Faser, ob Wolle, Leinen, Baumwolle oder Seide, der eigentliche Stoff.

Beim Weben werden mindestens zwei Fadensysteme, die Kette und der Schuss, rechtwinklig verkreuzt. Die vorgespannten Kettfäden bilden den Träger, in den nacheinander die Schussfäden von einer Webkante zur anderen durch die gesamte Webbreite eingezogen werden. Reihe um Reihe entsteht so das textile Flächengebilde.

Tatsächlich ist die Existenz von Webtechniken bereits für das 7. vorchristliche Jahrtausend nachgewiesen. Aus archäologischen Funden am nördlichen Alpenrand ließen sich Gewichtswebstühle rekonstruieren, an denen die Kettfäden mit Gewichten, meist Steinen, beschwert wurden, um so relativ stabil nach unten zu hängen und dann mit dem Schussfaden verwoben zu werden.

Die verschiedenen Arten von Gewebe

Die älteste Abbildung eines horizontalen Webrahmens wird auf etwa 4400 v. Chr. datiert und ist eine Ritzzeichnung auf der Innenseite einer Keramikschale der Badari-Kultur, einer jungsteinzeitliche Kultur in Oberägypten.

Seit dieser Zeit existiert der horizontale Webstuhl, also mit Fäden, die längs verlaufen (den Kettfäden), und Fäden, die quer verlaufen (dem Schuss). Grundsätzlich werden auf diese Weise die drei Grundtypen der Webbindung, nämlich Leinwandbindung, Köperbindung und Atlasbindung, hergestellt. Dabei ist die Leinwandbindung, bei der sich der Schuss und die Kette wechselweise kreuzen, wahrscheinlich die älteste Webart. Dabei wird der Schussfaden unter den ersten Kettfaden gelegt, dann über den zweiten und so weiter. Bei keinem anderen Gewebe sind Kett- und Schussfäden so eng miteinander verwoben.

Bei der Köperbindung wird der Schussfaden über zwei Kettfäden gelegt, dann unter einen Kettfaden, wieder zwei drüber, einen darunter und so immer fort. Die weltweit verbreitete Jeans ist ein Beispiel für diese Webart.

Bei der Atlasbindung, auch als Satinbindung bezeichnet, wird der Schuss erst unter einem Kettfaden hinweg geführt. Dann erhöht sich die Anzahl der Kettfaden, die unter den Schussfaden hinweg geführt werden, Reihe für Reihe um mindestens zwei Kettfäden. So entsteht ein Stoff mit zwei verschiedenen Seiten, einer Oberseite und einer Unterseite. Während bei der Stoffoberseite eine glatte glänzende Oberfläche dominiert, überwiegt auf der Rückseite ein mattes Aussehen.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich die Webtechnik immer weiter. Ursprünglich wurden alte Webstühle völlig manuell betrieben. Deshalb war die Herstellung komplexer Gewebe ein sehr langer Prozess. Aber am Anfang des 19. Jahrhunderts verwandelte eine Erfindung die Weberei: der Jacquardwebstuhl, der die Kettfäden des Musters automatisch bewegt. 1785 erhielt Edmond Cartwright ein Patent auf einen mechanischen Webstuhl. Durchsetzen konnte sich seine Erfindung allerdings erst ab ca. 1830. Der Jacquard-Webstuhl machte es möglich, Muster von beliebiger Komplexität mechanisch herzustellen. Die Arbeit der Weberinnen wurde viel schneller.

Welche Materialien werden gewebt

Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle sind die traditionellen Materialien, mit denen bis heute gewebt wird. Zu diesen reinen Naturmaterialien sind im Laufe der Jahrhunderte Chemiefasern gekommen wie Nylon oder Viskose. Aber auch Highteckstoffe, die für bestimmte Zwecke wie zum Beispiel den Bergsport entwickelt wurden und für teilweise extreme Bedingungen geeignet sind, werden verwebt. Die häufigsten Materialien für die reine Handweberei bleiben aber Naturmaterialien wie Wolle, Leinen und Baumwolle.

Was entsteht beim Weben

Weben fordert nicht nur Geschicklichkeit, sondern auch Kreativität und Vorstellungskraft. Und wie bei jedem anderen Handwerk auch, ist es eine Frage der Erfahrung, die über viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte erworben wird, welche Muster, Farben und Techniken ein Weber umsetzen kann.

Die Handweberei in Geltow

Eine Handweberei mit einer langen Tradition ist in Geltow bei Potsdam ansässig. Dort gründet Henni Jaensch 1939 in der Idee des Bauhauses die Handweberei in einem seit etlichen Jahren leerstehenden Gasthof mit angeschlossenem Wohnhaus. Es wird ein Ort für Handwerk und Austausch. Der Tanzsaal wurde zur Werkstatt umgebaut, im Vorderhaus wohnten die Lehrlinge und der Garten diente für Schafzucht und Flachsanbau. Der Webhof Geltow war nicht nur zur Arbeitsstätte, sondern wurde zu einer Lebensgemeinschaft. 

In den 30er-Jahren entstehen zum Beispiel die Webmuster Sternchen und Raute, ein Muster in dem bis heute in der Handweberei Geltow die Leinenhandtücher gewebt werden. Neben diesen Handtüchern in vielen Farben, Tischdecken in unterschiedlichen Größen, kunstvollen Läufern und farbenfrohen Kissen entstehen auch handgewebte Unikate. Die Weberei, die seit 1987 von Ulla Schünemann geleitet wird, führt den Gedanken ihrer Gründerin Henni Jaensch fort und sorgt mit dem hohen Qualitätsstandard ihrer Handwebwaren für ein Weiterleben dieser Tradition.

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Martin Goerg

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Meyers & Fügmann